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AUS ALLER WELT
Reihe "Witten woanders": Wityń in Polen, Víteň in Tschechien und Witten in Holland
Brautgabe, Kirchengut oder Silbermünzen

Texte und Fotos (10): Walter Budziak

Als Könige noch Preußen und Böhmen regierten, stand Witten zweimal öfter auf der europäischen Landkarte. Fortgesetzt bis Kriegsende 1945. Danach war dort Schluss mit deutscher Namensgebräuchlichkeit. Einer der Orte liegt heute in Polen und heißt Wityń, ein anderer liegt heute in Tschechien und heißt Víteň. StadtZEIT Witten ist den Namensspuren gefolgt und hingefahren. Und wurde bürgermeisterlich empfangen. Und auf eine Weinprobe gestellt. In Holland blieb der Ortsname Witten bis heute erhalten.

"Wittum, Brautgabe, Kirchengut, Dotierung; mittelhochdeutsch: wideme, Brautgabe; althochdeutsch: widamo (1. - 9. Jh.); Wittum: Brautgabe, Mitgift, Kirchengut; westgermanisch: Brautgabe, Brautkauf; verbal: heiraten; Form: widemb, 15. Jh., Wittum, 17. Jh.", steht im Köbler, Gerhard, Deutsches Etymologisches Wörterbuch, 1995.

Der Wittener Historiker Prof. Heinrich Schoppmeyer sieht keinen Zusammenhang mit einem solchen Namensursprung. Dann müsste der Name Witten häufiger vorkommen, sagt er. Viele Schenkungen, besonders im kirchlichen Bereich, seien gemacht worden. Er vermutet die Namenswurzel im germanischen Wort witan oder althochdeutsch wizzan, was soviel bedeutet wie 'Licht sehen, wissen, kennen, verstehen, erfahren, erkennen, begreifen' [?]QuelleHeinrich Tischner
Etymologie, 2015
und verknüpft das mit der Farbe Weiß, was auf das urkundlich belegte Prägen von Silbermünzen zurückgehen könne.

Witten als Prägeort nicht erwähnt

Laut Wikipedia historisch belegt ist die Witte (auch Witten, Wittenpfennig) im 14. Jahrhundert in den norddeutschen Städten Hamburg, Wismar, Lüneburg, Rostock und Stralsund, die sich innerhalb des Wendischen Münzvereins über Aussehen, Gewicht und Feingehalt der Witten geeinigt haben sollen. Außerhalb des Wendischen Münzvereins entstanden Witten in Pommern und Holstein, im 16. Jahrhundert für kurze Zeit auch in der Grafschaft Hoya, in Diepholz und Rietberg, im Bistum Verden und in Stade.

Ein Witten als Prägeort wird nicht erwähnt. Bei 62 Einwohnern (Wityń) bzw. 138 Einwohnern (Víteň) [?]Stand: 1905Ralph Anton
Deutsche Schutzgebiete, 2010
, sowie acht Bauernhöfen im holländischen Witten des 18. Jahrhunderts erscheint ein derartiger Namensursprung eher unwahrscheinlich, wenngleich in der Nachbarschaft zu Víteň im 15. Jahrhundert Silbervorkommen entdeckt wurden. Die Lagerstätten waren aber schnell erschöpft, die Bergwerke wurden im 16. Jahrhundert bereits wieder aufgegeben.

Ende einer 700-jährigen Geschichte deutscher Hoheitlichkeit

Hinter Frankfurt (Oder) und dem oberpfälzischen Neukirchen beim Heiligen Blut war mit Kriegsende 1945 Schluss mit deutscher Namensgebräuchlichkeit. Mit dem Potsdamer Abkommen wird ein Viertel der ehemals preußischen Provinz Brandenburg polnisches, das ehemalige Königreich Böhmen tschechisches Hoheitsgebiet.

Das betraf im ehemals Brandenburgischen auch den Kreis Züllichau-Schwiebus, zu dem die Ortschaft Witten gehörte, schreibt Ralph Anton, Herausgeber der Internetseite "Deutsche Schutzgebiete", inzwischen auch akademisch als Quelle anerkannt. Damit endete in der Gegend zwischen Frankfurt (Oder) und dem früheren Grünberg (Zielona Góra) eine rund 700-jährige Geschichte deutscher Hoheitlichkeit. Ursprünglich von Slaven besiedelt (Swebyssen), hatten Kreuzritter, Markgrafen, Kurfürsten und Kaiser seit 1228 die Geschicke dieses Gebiets bestimmt. Erstmals als Stadt urkundlich erwähnt wird Schwiebus schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts.

Nach Ralph Anton durchlebte Witten im ehemaligen Königreich Böhmen, Teil der Donaumonarchie Österreich-Ungarn, allein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine ebenso bewegte Geschichte.

Deutschböhmen und Sudetenland von tschechischen Truppen besetzt

Am 28. Oktober 1918 als eigenständige Tschechoslowakei proklamiert, erklärten einen Tag später die aus Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien stammenden Reichsratsabgeordneten die Bildung von Deutschböhmen und Sudetenland. Am 11. November 1918 besetzten tschechische Truppen das Gebiet. Bis Februar 1919. Frankreich setzte am 27. Februar 1919 der Anschluss Deutschböhmens und Sudetenlands an die Tschechoslowakei durch.

Die darauf folgenden Proteste wurden niedergeschlagen. 54 Menschen sollen getötet und etwa 1 000 verletzt worden sein. Der Vertrag von Saint-Germain vom 10. September 1919 besiegelte die staatsrechtliche Anerkennung dieser Annexion.

Nationalsozialisten gründen "Protektorat Böhmen und Mähren"

Das Münchner Abkommen vom 29. September 1938, unterzeichnet von Großbritannien, Frankreich, Italien und dem Deutschen Reich, bestimmte den Anschluss der Sudetengebiete an das Deutsche Reich. Im März 1939 wurde das restliche Staatsgebiet der Tschechoslowakei von deutschen Truppen besetzt und das "Protektorat Böhmen und Mähren" gegründet. Die Slowaken gründeten daraufhin eine eigene "Slowakische Republik".

Nach Ende des 2. Weltkrieges wurde die Tschechoslowakei in den Grenzen von 1919, ausgenommen die Karpatoukraine (Sowjetunion), wiederhergestellt. Drei Millionen Sudetendeutsche wurden vertrieben oder wanderten aus. 20 000 bis 30 000 Menschen sollen getötet worden sein. Manche Historiker verzeichnen über 200 000 Tote.

Anders als in vielen anderen Ortschaften packte in Víteň nach Kriegsende 1945 nur ein deutscher Mitbürger seine Koffer, wie Zeitzeugen berichten. Die Liste der Vertriebenen aus dem ehemals preußischen Witten ist amtlich dokumentiert und länger.

Ritterliche Schenkung an ein Nonnenkloster

Im Vergleich zu den namensgleichen brandenburgischen und böhmischen Ortschaften wurde im holländischen Witten eine ruhigere Kugel geschoben. Den Bischöfen von Utrecht unterstellt, gehörte die Gemarkung von 1261 bis 1580 zur Nonnenabtei Assen und trug dazu bei, die Versorgung des Klosters zu gewährleisten. Im Mittelalter war Witten neben Loon die größte Ansiedlung in der späteren Gemeinde Assen [?]QuelleH. Gras (Hrsg.), Geschiedenis van Assen, Verlag Van Gorcum & Comp, Assen 2000. Vielleicht erfolgte die ritterliche Schenkung der Bauernschaft aber auch erst 1294. In dem Jahr wird Witten in Holland erstmals urkundlich erwähnt. Witten in Holland war somit eindeutig ein Kirchengut, Münzen zu prägen gehörte sicherlich nicht zu den Aufgaben der Bewohner der wenigen Gehöfte.

Witten an der Ruhr ist "mit der (...) Erwähnung eines Geistlichen, 'Antonius, decanus in Wittene'", 1214 erstmals urkundlich belegt [?]QuelleWikipedia, Geschichte der Stadt Witten; Zitat aus: Heinrich Schoppmeyer, Witten. Geschichte von Dorf, Stadt und Vororten; 2012. Die damaligen geschichtlichen Zeitläufte berücksichtigt, erscheint ein Zusammenhang namentlich und kirchlich nicht abwegig. In amtlichen Dokumenten wird Witten in Holland heute als "Klostersiedlung an der Kirchenstraße zwischen Witten und Rolde" bezeichnet.

Nach der Reformation und der damit einhergehenden Kirchenreform wurden Kirchengüter weitgehend säkularisiert. Die Gemarkung Witten geriet 1602 in den Besitz der Grafschaft Drenthe, bis 1796 eine hohe Schuldenlast das infolge der französischen Revolution gegründete Revolutionskommitee und die Bürgerversammlung zwang, Ländereien der Provinz Drenthe zu verkaufen. Ganz Holland stand bei Frankreich mit 100 Mio. Gulden in der Kreide.

Drenthe musste sich an der Tilgung beteiligen. Eine Liste dokumentiert die Namen der acht neuen Besitzer, allesamt Erben alteingesessener Pächter. So zahlte der Bürger Geert Remmelts te Assen 4 150 carolus gulden für Bauland und elf Tagwerk Ackerland. Die Jahrhunderte währende Beständigkeit der Bewohnerschaft zeigt ein Vergleich der nebenstehenden Skizzen [?]QuelleJ. E. Ennik, NDVA, Nr. 94, 1977, S. 41/42. Einige der ehemaligen Bauernhöfe stehen heute unter Denkmalschutz.

Spannend bleibt die Antwort auf die Frage, aus welcher der insgesamt vier Ortschaften mit dem Namen "Witten" im Europa der vorigen Jahrhunderte Siedler in die Welt ausschwärmten und den Namen ihrer alten Heimat in ihre neue Heimat mitnahmen.

Witten weltweit (nur Ortsnamen):
Witten, Limpopo, Südafrika
Witten/New Witten, South Dakota, USA


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