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STADTLEBEN UND STADTGESELLSCHAFT
Serie "Elektromobilität in Witten", Teil 5: Stadtwerke Witten
Die Zukunft tankt „Smart-Metering“

Von Walter Budziak

Neben Nutzern, die Elekro-Autos kaufen und fahren müssen, hängt ein Wechsel zu einer benzinunabhängigen Antriebstechnik am unternehmerischen Mut, in eine visionäre Infrastruktur zu investieren. Die Stadtwerke Witten als Energieversorger spielen dabei eine entscheidende Rolle. Die Geschäftsmodelle, die diskutiert werden, basieren auf Einzelbereichen einer komplexen Thematik. Dabei steht das Unternehmen nach eigener Aussage erst ganz am Anfang einer langen Reise in die Elektromobilität.


Teamsitzung im Abstellraum: "Die Regelmäßigkeit fehlt." - Foto: wab
Nicht alle Wittener Autohäuser waren bereit, sich zum Thema Elektromobilität zu äußern. So hüllte sich das Mercedes-Center Lueg trotz wiederholter Nachfragen in Schweigen, das neben der Marke mit dem Stern auch Smart, Ferrari, Maserati und Volvo vertritt. Genauso verschlossen zeigte sich das Autohaus Feix, Repräsentant der Marken Opel, Ford und Kia, ansonsten ebenfalls nicht so auf die Motorhaube gefallen, wenn es darum geht, die Qualitäten seiner Fahrzeuge öffentlich lobzupreisen.

Akteure müssen in eine visionäre Infrastruktur investieren

Nun kann der örtliche Autohandel die Zukunft der Mobilität nicht allein auf die Straße hieven. Andere Akteure spielen mindestens genau so wichtige Rollen. Dazu zählt die Politik, die Ziele vorgeben muss, dazu zählt die Stadt- und Verkehrsplanung, die Konzepte erarbeiten und Vorschläge anbieten muss, wie sie umgesetzt werden können. Dazu zählen Unternehmen, die in eine visionäre Infrastruktur investieren müssen.

Wie beispielsweise die Stadtwerke Witten. Als Energieversorger müssen sie die erforderlichen leistungsstarken Stromkabel erst einmal verlegen, damit öffentliche, gewerbliche und private Abnehmer ihre dann elektrisch betriebenen Fahrzeuge flächendeckend einsetzen und aufladen können. Im Bereitstellen des diesen Kabeln dann entnommenen Stroms liegt eine weitere Herausforderung, weil die Abnahmemengen über den Tag verteilt extrem schwanken werden, wie Erfahrungen in einigen europäischen Städten wie Amsterdam, Kopenhagen oder Stockholm zeigen, die auf dem Weg in eine elektromobile Zukunft schon weit vorangekommen sind.

Anfang gemacht

„Wir beschäftigen uns mit dem Thema sehr“, sagt Thomas Lindner, Leiter der Unternehmenskommunikation der Stadtwerke. Unternommen wurde bisher aber vergleichsweise wenig. Zwei Elektrofahrzeuge wurden für Berater und Monteure in Dienst gestellt. Hinzu kommen zwei Ladestationen, eine auf dem Werksgelände an der Westfalenstraße, eine öffentlich und rund um die Uhr zugänglich in der Stadtmitte gegenüber der Polizei an der Heilenstraße. Dort können zwei Fahrzeuge gleichzeitig kostenlos parken und ihre Batterien aufladen, zeitlich begrenzt zwar, aber so, dass es an der „Hochleistungssäule“ für eine Ladung reiche, so Lindner. Eine dritte Ladesäule werde ab Juni auf dem ehemaligen Wickmann-Gelände in Annen bereitstehen, "zentral, viele Parkplätze", freut sich der Stadtwerkesprecher.

Nicht nur das Parken kostet dort nichts, auch den Strom braucht ein Nutzer nicht zu bezahlen. Lediglich eine Kundenkarte wird benötigt. Kunden der Stadtwerke zahlten auch dafür nichts, andere kämen gegen eine einmalige geringe Gebühr an den freien Stadtstrom, so Lindner.

„Partnerschaftliche“ Sichtweise

Eine „Energiemesse“ Mitte Mai im Stadtwerkehaus zählt Lindner zu den weiteren realen elektromobilen Impulsen der Stadtwerke. Anfänglich als reines Schaustellen sparsamerer Heiztechnik und Elektrogeräte angelegt, nehme inzwischen auch das digitale Hausmanagement (Smart Home) einen immer größeren Raum ein. Seit einigen Jahren stehe zudem eine modernere Mobilität ganz vorne auf der Messebühne, Gas- und Elektrofahrzeuge. „Dort können die Wittener Autohändler ihre Fahrzeuge präsentieren“, betont Lindner eine „partnerschaftliche“ Sichtweise.

Keine „Henne-oder-Ei-Diskussion“

Soweit der „Status quo“, sagt der Pressesprecher, der sein Privatauto auch noch mit erölhaltiger Flüssigkeit betankt. Was jetzt anstehe, um einer elektromobilen Zukunft näher zu kommen, erreiche viel größere Dimensionen. Nicht eingehen wollen die Stadtwerke dabei auf eine „Henne-oder-Ei-Diskussion“, betont Lindner, „nach dem Motto, die Autobauer sagen den Energieversorgern, sorgt erst einmal für eine geeignete Infrastruktur, dann liefern wir auch die passenden Fahrzeuge, und die Energieversorger antworten den Autoherstellern, baut erst einmal die richtigen Autos und bietet die auch günstg an, dann kümmern wir uns um die Stromversorgung.“ Klar sei, für, wie aktuell in Witten, 20 Elektrofahrzeuge brauche man keine 100 Ladestationen, sagt Lindner, „aber diese Diskussion bringt uns nicht weiter.“

Kabelnetze für diese geballte Stromabnahme

Abgesehen von der Anzahl stelle sich mit dem Aufstellen einer Ladestation das Problem, das Netz entsprechend auszubauen. Ein Elektrofahrzeug ziehe in kurzer Zeit „ziemlich viel Saft aus dem Netz“, was einen Stromanbieter vor andere Herausforderungen stelle. Sollten in einigen Jahren, wie vorgesehen, viele Elektrofahrzeuge unterwegs sein, würden die auch bei größeren Reichweiten zu bestimmten Stoßzeiten „betankt werden“, vermutet Lindner.

Unter der Annahme, dass überwiegend Pendler Elektrofahrzeuge nutzen, würden die „betankt, wenn die Leute von der Arbeit nach Hause kommen“, also etwa zwischen 17 und 19 Uhr, oder aber morgens im Parkhaus oder am Arbeitsplatz zwischen 7 und 9 Uhr. „Auf diese Spitzen müssen wir uns einstellen.“ Das Kabelnetz müsse dann für diese geballte Stromabnahme ausgelegt sein.

Neue Geschäftsmodelle

Ein Kabel werde üblicherweise für mindestens 50 bis 60 Jahre verlegt. Demnach müsse heute geplant werden, „ohne zu wissen, wann was kommt“, so Lindner. Daran ranke sich die Frage, wo Netze entsprechend ausgelegt und Ladestationen aufgestellt sein müssen. Wie die Investitionen dann durch Einnahmen refinanziert werden, sei schließlich eine mindestens eben so wichtige Frage.

Die noch schwieriger zu beantworten sei, wenn ein anderer Stromanbieter als die Stadtwerke den Strom in einem Wohnviertel oder auf einem Betriebsgelände bereitstellt und verkauft. Dann beschränkten sich die Einnahmen der Stadtwerke als Netzbetreiber auf die Entgelte für die Durchleitung. Die Bundesnetzagentur müsse diese Entgelte den Stadtwerken aber vorher genehmigen. Die müsse ihre Investitionen für einen zukunftsfähigen Ausbau ihrer Stromnetze darlegen und begründen. Schon heute stünden solche Genehmigungen aber unter einem erheblichen Wettbewerbsdruck und dem Diktat, die Netzkosten zu senken.

Verlust von erheblichem Ertragspotenzial

Mit der aufkommenden Elektromobilität seien auch neue Geschäftsmodelle denkbar, sagt Lindner. So könne beispielsweise ein Autohändler ein Elektrofahrzeug verkaufen und gleichzeitig einen vergleichsweise günstigen Stromvertrag der Stadtwerke Witten in Form einer „Tankkarte“ anbieten, die bundesweit an allen öffentlichen Ladestationen akzeptiert wird. Aber auch ohne einen Autokauf könne mit „Tankkarten“ ein ganz neuer Markt entstehen. Die örtlichen Stromanbieter seien dann zwar der Lieferant, aber nicht der Stromverkäufer. Da falle bei den Lieferanten ein erhebliches Ertragspotenzial weg, gibt Lindner zu Bedenken.

Eigene "Tankstelle" zu Hause

Verschlafen wollen die Stadtwerke Witten das neue elektromobile Zeitalter aber trotz solcher betriebswirtschaftlich noch vagen Aussichten nicht, versichert Lindner. Und sieht die örtlichen, marktwirtschaftlich verpflichteten Energieversorger von kommunaler Unterstützung und staatlicher Förderung weitgehend alleingelassen: „Da passiert bei uns nix. Die Förderung kassiert im Moment die Automobilindustrie. Wie es auch nicht anders zu erwarten war.“

Andererseits führe die Diskussion um öffentliche Ladesäulen auch in die falsche Richtung. Jeder Durchschnittspendler könne auch bei den heute verfügbaren Reichweiten „problemlos“ zwischen Wohn- und Arbeitsort hin- und herfahren. Viele könnten mit vergleichsweise geringen Kosten in ihrer Garage, vor ihrem Carport, neben ihrem privaten Abstellplatz eine Ladestation einrichten. „Dann haben sie zu Hause ihre eigene Tankstelle“, sagt Lindner.

Mit „Smart-Metering-Technologie“ neue Mobilitätskonzepte anstreben

Für jemanden in der City als Mieter einer Wohnung im dritten Stock natürlich schwierig, räumt Lindner ein, „aber gerade Witten, mit viel Ländlichkeit, mit vielen Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften, die zwangsläufig ihre eigenen Stellplätze haben,“ sei eine eigene Ladestation „durchaus realisierbar“, so der Stadtwerkesprecher. Dort wohnten auch die Berufspendler, „die man ansprechen sollte“, wie die Pendler vom Schnee, aus Durchholz, aus Bucholz, aus Herbede, „die pendeln zum Einkaufen in die Innenstadt oder auch aus Bommern zum Arbeiten nach Dortmund. Die kommen mit einer Ladung immer hin und zurück.“

Reichweite sei für ihn daher „keine Diskussion“. Die „ein, zwei Urlaubsfahrten im Jahr“ sieht Lindner auch nicht als Hindernis für eine Elektromobilität im privaten Bereich. Da brauche man längere Reichweiten. Aber jeder könne sich überlegen, „ob ich nicht doch mit der Bahn fahre oder mir, Thema Carshring, für einen gewissen Zeitraum einen Benziner miete“, beendet Lindner seine Überleitung zu einer konkreten Offerte der Stadtwerke: privaten Elektromobilisten eine Ladestation kostenlos zu installieren verbunden mit einer Ladekarte beziehungsweise einem Stromvertrag. Verknüpft mit einer inzwischen auch für Privathaushalte erhältlichen „Smart-Metering-Technologie“, die einen Stromverbrauch an die tageszeitlich unterlasteten Stromnetze und damit kostengünstige Tarife digital ausrichtet, mittags und nachts billiger, morgens und abends teurer, könnten neue Energie- und damit auch Mobilitätskonzepte entstehen.

Infrastruktur gegen kalkulierbare Abnahmemengen

„Wenn wir wissen, jemand kommt immer um 18 Uhr nach Hause, dann bieten wir ihm zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens den günstigen Autostrom an“, erläutert Lindner. Bei einer zehnjährigen Laufzeit wäre so ein Geschäft vorstellbar, das Stromanbietern wie Stromabnehmern eine verlässliche Kalkulation erlaube.

Vergleichbare Modelle wären möglich mit Wohnungsbaugesellschaften, die eine Siedlung bauen und zukunftsorientiert in jede Garage eine Ladestation installieren wollen. Die Stadtwerke stellten die erforderlichen Leitungskapazitäten bereit, eine Baugesellschaft profitiere von einer besseren Vermarktbarkeit, die Stadtwerke wiederum von einer berechenbaren Zahl künftiger Stromabnehmer. Falls, wie angestrebt, immer mehr Haushalte auf Elektrofahrzeuge umsteigen. Mit größeren Unternehmen, „viele Mitarbeiter, viele Kunden“, kann sich Lindner ähnliche Kooperationen ausmalen: Bereitstellen der Infrastruktur gegen kalkulierbare Abnahmemengen.

Ladetechnikhilfestellungsantragsformulare noch nicht gedruckt

Damit beschäftigten sich die Stadtwerke Witten „jetzt“, betont Lindner. Den Ablauf, „wann es richtig losgeht“, könne keiner vorhersagen. Die Ziele, „die ausgeschrieben sind“, würden nicht erreicht. „Es ist nicht zu erkennen, dass das klappt.“ Arbeitsplatzverluste und Mineralölsteuerausfälle stünden dem entgegen, politische Programme und Kundenansprüche an eine umweltschonendere Mobilität könnten dagegenhalten, aber sich absehbar nicht durchsetzen. Hinzu käme das noch ungelöste Missverhältnis zwischen Gewicht und Kapazität der Stromtanks.

Zwei elektrobetriebene Werkswagen, bald drei öffentliche kostenlose Doppelladestationen und „für jeden Haushalt Hilfestellung bei der Umsetzung der Ladetechnik in seinem Haus“, sieht Thomas Lindner die Stadtwerke elektromobil auf Kurs.

Sind die Ladetechnikhilfestellungsantragsformulare auch schon gedruckt? Die werde es nicht geben. "Das machen wir vollkommen unbürokratisch", schmunzelt der gebürtige Wittener und ehemalige Journalist, der seit 20 Jahren öffentlich für die Stadtwerke Witten spricht. Ab sofort genüge ein Anruf, und jedem Interessenten werde individuell ein Konzept angeboten, wie er mit Strom aus seiner Steckdose künftig Vollgas geben kann.